Zur Entstehung des Buches


Wer die Gegenwart verstehen will, muss sich auch über die Vergangenheit informieren. Das ist nicht immer einfach; es fehlen oft erklärende Materialien, die die anstehenden Fragen beantworten. Eine geeignete, relativ leicht zugängliche und lesbare Quelle, mit deren Hilfe etwas Licht ins Dunkel unserer Stadtgeschichte gebracht werden kann, sind Zeitungen. Und so machte sich eine Gruppe von Rentnern aus Bad Belzig unter der Leitung von Helga und Günter Kästner im Jahre 2010 an die aufwändige Arbeit, im Kreisarchiv von Potsdam-Mittelmark die Jahrgänge des "Zauch-Belziger Kreisblattes" durchzusehen und das herauszuschreiben und zu verdichten, was die heutige und die kommende Generation interessieren könnte. Der Zugriff war günstig, weil das Kreisarchiv im Landratsamt, Papendorfer Weg in Bad Belzig untergebracht war. Da nicht alle Jahrgänge des Kreisblattes hier vorhanden sind, mussten auch das Brandenburgische Landeshauptarchiv sowie die Stadt- und Landesbibliothek in Potsdam, das Domstiftarchiv in Brandenburg/Havel und die Staatsbibliothek in Berlin aufgesucht werden. Auch dort fanden wir Hilfe und Unterstützung bei den Recherchen.

Nach und nach konnten folgende Bände gedruckt werden:

"Chronik der Stadt Bad Belzig"
1870 bis 1893
1894 bis 1909
1910 bis 1921
1922 bis 1933
Das Team arbeitet zur Zeit an folgenden Ausgaben:
1800 bis 1869
1934 bis 1949
1950 bis zur Gegenwart

Auf der Grundlage aller Veröffentlichungen soll eine Daten-Kurzübersicht, eine Art Zeittafel, als Nachschlagemöglichkeit entstehen.

Vor uns stand die Frage: Sollen wir die Zeitungstexte im Wortlaut übernehmen oder übertragen wir sie in die heutige Ausdrucksweise und Rechtschreibung? Wir wählten einen Mittelweg. Die Formulierungen und Schreibweisen insbesondere der frühen Jahre sind nicht ohne Reiz; sie vermitteln den Geist der Zeit und wurden deshalb zum Teil übernommen.
Unbeachtet bleiben weitere Archivalien in den bereits genannten Archiven und im Staatsarchiv Dresden und Weimar und im Ratsarchiv der Lutherstadt Wittenberg. Aus Familienbesitz wurden uns uneigennützig Fotos und Dokumente zur Verfügung gestellt, die in den Büchern Verwendung fanden. Als Sammler von Ansichtskarten aus unserer Region unterstützten uns Marcus Wilhelm und Rainer Pahlke.
Redaktionell stand uns in bewährter Weise Hannelore Dieckmann zur Seite. Allen danken wir.
Wir nehmen auch weiterhin gern die mündlichen und schriftlichen Lebensberichte unserer Leser entgegen und danken allen für das Interesse an unserer Arbeit.

Helga und Günter Kästner mit Unterstützung von Hannelore Dieckmann, Andreas Heimberg, Brigitte Otte und Evelyn Schulz Im Januar 2015

Kästner-Team



Titelbild Chronik Belzig

Das Jahr 1871

Das Jahr 1871 ist geprägt vom Deutsch-Französischen Krieg und der Bildung des neuen deutschen Reiches und findet seinen Niederschlag in den Beiträgen des Zauch-Belziger Kreisblatts. Auszüge aus den Armee-Verlustlisten werden ständig veröffentlicht, auch Belziger werden namentlich genannt. Am 1.3.1871 hat die Französische Nationalversammlung in Bordeaux die Ratificaton der Friedensbedingungen mit 546 gegen 107 Stimmen angenommen. Damit ist der Deutsch-Französische Krieg beendet und das Deutsche Reich gegründet. Am 1. Januar 1872 tritt ein neues Maß- und Gewichtssystem in Kraft, wofür umfangreiche Vorbereitungen nötig sind. (ZBK Nr.23, vom 10. Juni, Seite 203 ff. siehe Scan). Auch die Umstellung der Thaler in Markwährung erfolgt in diesem Jahr. Am 12. Dezember des laufenden Jahres wird im Deutschen Reiche eine allgemeine Volkszählung stattfinden.
Aus dem Kreishaus
25.2.1871. Zur Reichstagswahl. Am 3. März findet die Wahl der Abgeordneten zum deutschen Reichstage statt, welche dieses Mal von höchster Wichtigkeit ist, da der jetzt zusammentretende Reichstag berufen ist, an der Konstituierung des neuen deutschen Reiches wesentlichen Anteil zu nehmen. Bisheriger Abgeordneter unseres Wahlkreises war bekanntlich Herr von Watzdorff - Wiesenburg, welcher zur Zeit noch als Reserve-Offizier bei der Armee vor Paris steht. Derselbe ist bereit, auch diesmal ein Mandat für den Reichstag anzunehmen. Da nun das bisherige Verhalten des Herrn von Watzdorff als Reichstags-Abgeordneter die allseitige Zustimmung seiner Wähler gefunden hat, auch von keiner Seite irgendwelche Bedenken gegen seine Wiederwahl laut geworden sind, im Gegenteil alle Wähler, mit welchen ich darüber zu sprechen Gelegenheit gehabt habe, dieselbe lebhaft wünschen, und da ferner auch der mit unserem Kreise zusammen wählende Jüterbog-Luckenwalder Kreis die Wiederwahl des Herrn von Watzdorff in Aussicht genommen hat, so darf ich wohl mit Bestimmtheit die Übereinstimmung der weitaus größten Mehrheit der Wähler über diesen Punkt voraussetzen und richte daher an alle diejenigen Wähler, welche ihre Stimme im regierungsfreundlichen Sinne abzugeben gedenken, hierdurch die dringende Aufforderung, sich vollzählig an der Wahl zu beteiligen, und ihre Stimmen sämtlich für Herrn von Watzdorff - Wiesenburg abzugeben.
Belzig, den 22. Februar 1871.Königlicher Landrath. von Stülpnagel.

11.3.1871. Der Herr Rittergutsbesitzer von Watzdorff zu Wiesenburg wurde mit einer Mehrheit von 980 Stimmen über die absolute Majorität zum Reichstags-Abgeordneten für den 9. Wahlkreis des Regierungsbezirks Potsdam gewählt.
Der Wahl-Commissarius, Königl. Landrath Zauch-Belzigschen Kreises von Stülpnagel.

18.3.1871. Bekanntmachung. Indem ich hiermit zur allgemeinen Kenntnisnahme bringe, dass das diesseitige Landwehr-Bataillon Potsdam am 21. oder 22. d. M. aus Epernay hier in Potsdam eintreffen wird, bitte ich gleichzeitig, dass Angehörige oder Beauftragte der Wehrleute mit deren Zivilkleidung sich hier einfinden mögen, damit die Auskleidung und Entlassung möglchst schnell bewirkt werden kann. Die Zusendung der Sachen durch die Post ist möglichst zu vermeiden.
Potsdam, 15.März 1871. v. Grumbkow, Oberstlieutnant und Bezirks-Commandeur.

Aus dem Rathaus
11.3.1871. Bekanntmachung. Nach § 368 des neuen Strafgesetzbuches wird mit Geldbuße bis zu 20 Thalern oder mit Haft bis zu 14 Tagen bestraft: " wer in gefährlicher Nähe von Gebäuden oder feuerfangenden Sachen mit Feuergewehr schießt oder Feuerwerke abbrennt." (11.3.) Wenn nun in jüngster Zeit mit Rücksicht auf die außerordentlichen Kriegsereignisse bei dem Eintreffen der Nachrichten von den ruhmreichen Siegen unserer Heere die vorstehenden Strafbestimmungen nicht in ihrer Strenge zur Anwendung gebracht worden sind, und das Freudenschießen nachgelassen worden ist, so ist doch namentlich bei der am 3. d. M. in hiesiger Stadt stattgefundenen Friedensfeier ein grober Missbrauch mit dieser Nachsicht getrieben, und ist sogar mitten unter der in den Straßen wogenden Menschenmenge bis zur späten Abendzeit aufs Rücksichtsloseste geschossen worden, so dass wir uns veranlasst sehen, auf die obigen Strafbestimmungen auf das Ernstlichste hinzuweisen und künftig eine jede Übertretung, mag eine ähnliche Veranlassung zu Freudenschüssen vorliegen oder nicht, unnachsichtlich zur Strafe zu ziehen.
Belzig, den 4. März 1871. Die Polizei-Verwaltung. Rittorff, Bürgermeister.
Die der hiesigen Kämmerei zustehende Fischerei-Nutzung in dem Belziger Bache vom Walkmühlen-Garten bis zur Schwanebecker Feldmarkgrenze soll auf die drei hintereinanderfolgenden Jahre 1872, 1873 und 1874 öffentlich meistbietend verpachtet werden.
Belzig, den 1. October 1871. Der Magistrat. Rittorff. (7.10)

Lokales/Vermischtes
Bei dem am 24. Januar beendeten Kreis-Ersatz-Aushebungsgeschäft sollen ca. 400 Mannschaften designiert worden sein;
aus Belzig und Sandberg 6. (28.1.)Friedensschluss.
Auch in Belzig rief die Nachricht von der Einkehr des Friedens (1.3.1871) eine würdige Feier hervor. Die Häuser schmückten sich mit Fahnen, Freudenschüsse erfüllten die Luft und die Straßen hallten wieder von den heiteren Marschweisen unserer Musikkapelle. Unmittelbar darauf ertönten die Glocken, und die Klänge von Lobes- und Dankesliedern drangen zu uns vom Kirchturm hernieder; heut Abend wird, wie verlautet, eine allgemeine Illumination stattfinden. - Gestern (2.3.) fand gewissermaßen in Voraussicht des endgültigen Friedensschlusses die Weihe der höchst kostbaren Fahne statt, die unserer Schützen-Compagnie als Geschenk zuteil geworden. (4.3.)

Belzig. Am vergangenen Sonntag (2.4.1871) in aller Frühe hatten wir die Freude, unsere Landwehr durch den am Brandenburger Tore errichteten Triumphbogen wieder einziehen zu sehen. Sie wurde mit Musik eingeholt und auf dem Marktplatze vom Herrn Bürgermeister Rittorff im Namen der Stadt herzlich begrüßt. (8.4.)
Unsere Stadt hat am 18. Juni auch ihr Friedensfest gefeiert. In früher Morgenstunde erschollen vom Turme die Klänge des Liedes "Lobe den Herren" u. a. Im Vormittags-Gottesdienste ging der Festpredigt des Herrn Superintendenten Mühlmann eine Friedenshymne voraus, ein wechselseitiger Gesang zwischen dem Gesangsverein und der Gemeinde. Für den Nachmittag war eine Kirchenparade in Aussicht genommen worden. Zur erforderlichen Zeit setzte sich vom Schützenhause aus der Veteranenverein nebst den jüngeren Kriegern unter Musik nach der Stadt hin in Bewegung. Sie hatten in üblicher Weise ihren Fahnen- und Flaggenschmuck angelegt, ihnen voran vier berittene Postillione. Auf dem Marktplatz vereinigten sie sich mit der Schützengilde. Nachdem hier einige Damen unserer Stadt an die aus dem Felde zurückgekehrten Krieger eine Anzahl kleiner Blumensträußchen verteilt hatten, zogen die Versammelten unter Vorantritt der städtischen Behörde und der Beamten beim ersten Glockenklang ins mit frischem Grün geschmückte Gotteshaus. Die erhebenden Worte des Herrn Diaconus Baur werden noch lange in dankbarer Erinnerung bleiben, und rufen wir hiermit nochmals, wie es schon Ersterer in den weiten Räumen der Kirche für die ganze Gemeinde getan, jedem, der auch nur sein Leben gewagt für die große Sache des Vaterlandes, herzlich Dank zu. Nach Beendigung des Gottesdienstes fand der Auszug nach dem Turnplatze statt, um unter Beteiligung der Schulkinder die vor längerer Zeit gepflanzte, zu diesem Zweck geschmückte Friedenseiche einzuweihen. Vor dem Schulhause trat die mit Fahnen und Bannern versehene Kinderschaar dem Zuge voran. Nach dem einleitenden Gesange hielt Herr Baur die Weiherede. Danach ergriff Kreistierarzt Lehnhardt für den abwesenden Herrn Bürgermeister Rittorff das Wort. Mit der Nationalhymne schloss die Feier ab. Der Abend fand eine frohe Gesellschaft beim festlichen Mahle versammelt. (24.6.)

Local-Polizei-Verordnung. Zur Erhaltung der Sicherheit, des freien Verkehrs, der Bequemlichkeit und Reinlichkeit auf den öffentlichen Straßen und Plätzen der hiesigen Stadt wird auf Grund des § 5 des Gesetzes über die Polizei-Verwaltung vom 11. März 1850 hiermit Folgendes verordnet: Auf den Bürgersteigen, Straßendämmen und Plätzen hiesiger Stadt dürfen Schutt, Dünger, Bau- und Brennmaterial sowie Gerätschaften und Gegenstände des gewerblichen Verkehrs nicht länger niedergelegt werden oder liegen bleiben, als zur An- und Abfuhr dringend erforderlich ist. Unter keinen Umständen aber dürfen Gegenstände, und insbesondere auch keine Fuhrwerke, zur Nachtzeit auf den Straßen und Bürgersteigen stehen bleiben. Das Zuwiderhandeln gegen diese Verordnung wird in Gemäßheit des § 366 ad 10 des Strafgesetzbuches mit Geldbuße bis zu 20 Thalern oder Haft bis zu 14 Tagen bestraft.
Belzig, den 4. Oktober 1862.

Die Polizei-Verwaltung. Rittorff, Bürgermeister. (28.10.)