Fläming.jpg

Der Fläming und die Herrschaft Wiesenburg

Agrar-historische Studien aus den nördlichen Ämtern des sächsischen Kurkreises
INAUGURAL-DISSERTATION

zur ERLANGUNG DER DOKTORWÜRDE
GENEHMIGT VON DER PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT DER FRIEDRICH-WILHELMS-UNIVERSITÄT ZU BERLIN

von Friedrich Dorno aus Belzig
Tag der Promotion: 24. Juni 1914
Erstmals gedruckt im Verlag von Duncker & Humblot München und Leipzig 1914

Veränderte Nachauflage Treibgut-Verlag

Diese Arbeit wurde im Sommersemester 1913 von der philosophischen Fakultät der Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin als Doktordissertation angenommen. Der Verfasser ist besonders den Herren Professoren Hintze und Skalweit für ihre gütige Unterstützung zu Dank verpflichtet. Referenten: Professor Hintze und Professor Schäfer Auch enthalten in: Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen, herausgegeben von Gustav Schmoller und Max Sering, München und Leipzig, Heft 178.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Geographische Stellung und Bodenbeschaffenheit des Gebietes
Bevölkerung
Inhaltsverzeichnis

Einleitung
Geographische Stellung und Bodenbeschaffenheit des Gebietes
Bevölkerung
Erster Teil
Die nördlichen Ämter des Kurkreises, insbesondere der "Fläming"
Zu den Quellen
Allgemeines über die Ämter
Verteilung der Ämter auf die natürlichen Abschnitte des Gebietes
Die allgemeinen ländlichen Verhältnisse in den Ämtern während des 16. Jahrhunderts
Entwicklungstendenzen im 16. Jahrhundert
Die "Ritterschaft" - Die "Ehrbare Mannschaft'' - Die Lehnschulzen - Die "Lehnmänner"
Die einzelnen Ämter
Die verschiedenen Zonen
Der "Fläming"
Genetische Erklärung der aufgefundenen Verhältnisse

Zweiter Teil
Die Herrschaft Wiesenburg - Quellen
Bis zum Dreißigjährigen Kriege
Vorgeschichte der Vogtei Wiesenburg
Entstehung der "Herrschaft Wiesenburg"
Zustand im 15. Jahrhundert
Geschichte während des 16. Jahrhunderts
Der erste Wiederanbau
Die Vorwerke
Die alten Dörfer - Allgemeines - Abgaben - Dienste
Der Ausbau der alten Dörfer
Die Rodetätigkeit der alten Dörfer
Die "Neudörfer"
Die Einnahmen der Herrschaft
Aus den Forsten u.ä.
Aus den auswärtigen Nutzungen
Gesamteinnahmen der Herrschaft und ihre Steigerung
Vom Dreißigjährigen Kriege bis 1800
Die Erbteilungen von 1627 ff.
Der Dreißigjährige Krieg und seine Folgen
Der zweite Wiederanbau
Die Vorwerke (Güter)
Die Dörfer
Allgemeines
Abgaben
Besitzrecht
Dienste
Grundgerechtigkeiten, Hutung
Die neuen Bevölkerungsklassen
"Die Hütten"
Die Nutzung der herrschaftlichen Forsten
Die Vermögenslage der Untertanen
Plan eines Retablissements
Das 19. und 20. Jahrhundert
Die wirtschaftlichen Reformen
Die neueste Entwicklung
Rückblick
Anhang
Tabellen I - VI
Übersichtskarten
Quellen und Literaturangabe
Darstellungen
Ortsverzeichnis
Sachverzeichnis

Bevölkerung

Die gesamte Gegend trägt ein rein landwirtschaftliches Gepräge; Industrie fehlt fast ganz. Der Boden ist zum weitaus größten Teile im Besitze mittlerer und kleiner Grundbesitzer; wir haben ein Land ausgesprochen bäuerlichen Charakters vor uns. Rittergüter finden wir zwischen dem Bauernland im Süden und Norden, in der Niederung und an den Abhängen des Grenzwalles, desgleichen im äußersten Westen und Osten unseres Gebietes. Ein Streifen fast reinen Bauernlandes zieht sich auf dem Rücken des Grenzwalles von Nordwesten nach Südosten; die Dörfer dieses Striches zeichnen sich vor den übrigen durch die Größe ihrer Güter und die gleichmäßige Güte des Bodens aus; das Gebiet des rein bäuerlichen Besitzes deckt sich nämlich mit dem waldlosen Feinsandstreifen, von dem wir eben sprachen. Die Lage auf dem wasserarmen Plateau bringt es mit sich, dass diese Dörfer von jeher mehr auf den Körnerbau angewiesen waren; der an sich gute Boden eignet sich weniger für den Weizen, dagegen ist der Roggen dieser Gegend zu einer gewissen Berühmtheit gelangt. An Wiesen mangelt es; das Heu muss mit großer Mühe aus den Niederungen im Norden und Süden heraufgeschafft werden. Die natürliche Folge war, dass die Rindviehzucht, die in den Dörfern der Niederung neben dem Körnerbau eine große Rolle spielte, vor der Schafzucht zurücktrat (Meitzen, Grund u. Boden ff, 217, Ausführlicher Schöne 71, der jedoch die neueste Entwicklung nicht genügend hervorhebt). In diesem Verhältnis ist seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Wandlung eingetreten: Dem Mangel an Wiesen konnte man durch den Anbau der Brache mit Futterkräutern, besonders Klee, abhelfen, indem man dem Boden durch künstliche Düngung die fehlenden Nährstoffe, in erster Linie Kalk, zuführte. Die großen Schafherden sind verschwunden; die Höhendörfer züchten jetzt kaum weniger Rindvieh als die Dörfer in der Niederung. Dem oft sehr empfindlichen Wassermangel wird durch den Bau von Windmotoren mehr und mehr abgeholfen. Für sich stehen die Brandtsheide und ihre Umgegend. Hatten wir in dem waldlosen Gebiet fast nur guten Boden, so ist der Boden hier fast durchgängig leicht; er ist zum größten Teil mit Wald bestanden. Bäuerliche Wirtschaften sind vorhanden, aber der größte Teil der Einwohner ist auf die herrschaftlichen Forsten als Erwerbsquelle angewiesen: Die Brandtsheide ist das Land der Fuhrleute und Holzarbeiter, der Holz-, Wachs- und Beerenhändler. Die verhältnismäßig starke Pferdehaltung bedingt einen Import vor allem von Hafer aus den benachbarten Gegenden, die ihrerseits aus der Brandtsheide das Holz beziehen.

Erster Teil
Die nördlichen Ämter des Kurkreises, insbesondere des "Flämings"
Der erste Teil unserer Abhandlung soll für die Geschichte der Herrschaft Wiesenburg, deren Hauptbestandteil .die eben geschilderte Brandtsheide ist, den allgemeinen Hintergrund schaffen; er wird versuchen, ein Bild von den agrarischen Verhältnissen unseres gesamten Gebietes zu geben, wie sie sich nach den sächsischen Amtsbüchern des 16. Jahrhunderts darstellen; aus dem Befunde werden sich mit Benutzung des dürftigen Urkundenmaterials Rückschlüsse auf die Entstehung dieser Verhältnisse ziehen lassen. Die eigentümliche Entwicklung der Herrschaft Wiesenburg, die wir bis zur Gegenwart verfolgen wollen, wird dann umso klarer hervortreten.
Zu den Quellen
Die sächsische Regierung begann zu Anfang des 16. Jahrhunderts mit der Aufnahme der so genannten Amts- oder Erbbücher, die sich mehr und mehr zu "genauen statistischen Gemälden" der einzelnen Ämter herausbildeten, (darüber Wuttke 24 ff., der auch ein Muster für die Anlage eines solchen Erbbuches gibt; eine Vorstellung von der Reichhaltigkeit dieser Quellen erhält man aus Oppermanns Studie). Wir können drei Serien dieser Amtsbücher unterscheiden, eine aus dem "Anfang", eine aus der Mitte, eine aus dem Ende des 16. Jahrhunderts; unseren Angaben legen wir im allgemeinen die mittlere Serie zugrunde. Für die zur Provinz Sachsen gehörenden Teile unseres Gebietes finden sich die Amtsbücher dieser Serie vollständig im Staatsarchiv zu Magdeburg. (Die erste Serie ist unvollständig, da das Wittenberger Erbbuch von 1513 in Dresden aufbewahrt wird.) Weniger gut gestellt sind die zur Provinz Brandenburg geschlagenen Ämter.

Für Belzig fand ich ein Erbbuch von 1550 auf dem dortigen Amtsgericht; es ging jedoch verloren, so dass ich nur einen ungenügenden vorläufigen Auszug benutzen konnte. Das fragmentarische Amtsbuch von 1591 im Geheimen Staatsarchiv konnte durch eine teilweise Abschrift im Wiesenburger Schlossarchiv ergänzt werden. Über das Amt Jüterbog, das 1635 an Sachsen fiel, sind im Geheimen Staatsarchiv Erbbücher von 1648 und 1661 vorhanden, die aber den Zustand vor dem Dreißigjährigen Kriege wiederzugeben suchen. Im Wiesenburger Archiv liegen "Hausbücher" aus den Jahren 1575 und 1592, die den Erbbüchern nachgebildet sind. Es wäre gewagt, Quellen aus so verschiedener Zeit nebeneinander zu benutzen, wenn nicht die Visitationsprotokolle, die von 1528 bis tief ins 17. Jahrhundert hineinreichen, uns sicher machten, dass wesentliche Veränderungen seitdem nicht stattgefunden haben; sie bringen ziemlich regelmäßig, wenn auch nicht immer zuverlässig, den Besitzer des Dorfes, die Zahl der Hüfner und Kossäten, Vorhandensein eines Rittersitzes u. ä.; bisweilen haben sie auch andere brauchbare Angaben.
Für die früheren Jahrhunderte konnte ich einige Notizen aus dem Königl. Sächs. Haupt-Staats-Archiv, teils direkt, teils nach E. 0. Schulze, benutzen. Urkundenmaterial findet sich spärlich und verstreut in Schöttgen und Kreyßigs "Obersächsischer Nachlese", in Riedels Codex diplomaticus Brandenburgensis (C. d. B. A VIII 104-105, 114-115), Heinemanns Codex diplomaticus Anhaltinus (C. d. A.) und den Magdeburger Regesten (R. A. M. I 722). Eine Serie von 20 Urkunden über die Deutschordenskommende Dahnsdorf bei Belzig, von 1227 bis 1598 reichend, hat Theodor Mühlmann herausgegeben; einige dieser Urkunden sind bei Riedel "Die Mark Brandenburg i. J. 1250"' (1, 240a. 2) gedruckt.

Allgemeines über die Ämter
Bevor wir unsere Untersuchung beginnen, müssen über die Verwaltungseinheit des 16. Jahrhunderts, das "Amt" oder die "Pflege", ein Wort sagen. Die älteste Verwaltungsorganisation im Osten der Saale und Elbe war die Burgwardsverfassung, die wahrscheinlich von den Slawen her übernommen wurde. (Knüll, Bruno: Die Burgwarde. Tübingen, Dissertation 1895, 8 ff.) Während die den Burgwarden übergeordneten Gaue nach der deutschen Eroberung abstarben, hielten sich die Burgwarde und bildeten Grundstock der "Vogteien", für die später die Namen "Pflegen" oder "Ämter" gebräuchlich werden. Diese Vogteien sind entweder die alten Burgwarde oder sie sind aus mehreren, meist zwei benachbarten Burgwarden zusammengewachsen, in dem der Vorort des einen der Mittelpunkt des neuen Bezirkes wurde: Aus den Burgwarden Wisenburg und Redizke (Reetz) entsteht die Vogtei Wiesenburg, aus den Burgwarden Beltiz und Mordiz (Mörz) die Vogtei Belzig, aus den Burgwarden Wittenberch und Dobin (Dobien) die Vogtei Wittenberg. Die Vogtei Rabenstein ist der alte Burgwart Nymic; die Landgerichte z. B. tagen auch im 13. Jahrhundert noch in Niemegk.

Knülls Ansicht, nach der die Burgwarde unter deutscher Herrschaft nur als Gerichtsbezirke noch eine Zeitlang existiert hätten, ist wahrscheinlich nicht nur für unsere Gegend, sondern überhaupt für das ganze Kurfürstentum Sachsen abzulehnen; wenigstens spricht ein so ausgezeichneter Kenner wie E. 0. Schulze ganz allgemein von der Kontinuität der äußeren Entwicklung dieser unteren staatlichen Gebilde, von den Burgwarden des 10. bis zu den Ämtern des 16. Jahrhunderts, wie dies aus den Urkunden und sonstigen Quellen jener Zeit ersichtlich ist. (Kolonisation 317)

W. L. Walther erwähnt, dass das Amt Leipzig aus den Burgwarden Leipzig, Rötha und Taucha entstanden sei (S. 102 a.1. 8. 102 a. 1. Diese Beobachtung ist von W. mit Unrecht gegen E. 0. Schulze gewendet.) Es verschwindet nur der Name "Burgwart", aber nicht die Institution als solche.
Unter den Vogteien scheinen die Burgwarde, die von ihrem Nachbarn aufgesogen worden waren, als Gerichtsbezirke noch eine Zeit bestanden zu haben; so führt Oppermann (s. S. 117) die beiden räumlich getrennten Sprengel der Vogtei Wittenberg auf die Burgwarde Wittenberg und Dobien zurück. Die Vogteien oder Ämter vereinigen sich ihrerseits wieder zu größeren Verwaltungsbezirken, die ebenfalls als Ämter bezeichnet werden; unter diesen (neuen) Ämtern bestehen die "alten Ämter" zur Zeit unserer Erbbücher noch als Gerichtssprengel. So fügen sich die "alten Ämter" Wittenberg, Trebitz und Zahna im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts zum (neuen) Amte Wittenberg zusammen (Über ihr Zusammenwachsen Oppermann S. 3 a. 1 und 4 a.1.) Das Amt Belzig ist aus den "alten Ämtern" Belzig und Rabenstein entstanden; später wird auch die in Privatbesitz übergegangene Vogtei Wiesenburg hinzugerechnet. Im Amte Schweinitz finden wir die Trennung zwischen den Audörfern links und den Buschdörfern rechts der Schwarzen Elster, die möglicherweise auch auf "alte Ämter" zurückgeht. Der Typus des selbständig gebliebenen alten Amtes" ist das kleine Amt Seyda (vgl. Kraaz 33 ff. und Walther 91 ff. Als "sozusagen klassisches Land" der Sattelhöfe gilt das Gebiet des alten sorbischen Anbaus von der Saale östlich bis etwa zur Mulde. Schulze erwähnt die Freigüter nur ganz kurz, er hat sie wohl nur in unserer Gegend gefunden (Ämter Belzig, Schweinitz u. a.: 8, 341 a. 1.); er scheint übrigens unrichtig die "ehrbare Mannschaft" mit der "amtsässigen Ritterschaft" zu identifizieren. Über Sadel-, oder Siedelhöfe in Nordwestdeutschland vgl. Wittich, Werner: Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland" (Leipzig 1896) 276 id sonst.
.