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Das Oppensche Rittergut zu Fredersdorf. Von den Anfängen bis 1648.

Beiträge zur Geschichte Fredersdorfs, Teil 2, 1998
Zum Autor Matthias Helle
Matthias ist in Fredersdorf als Sohn des Lehrerehepaares Helle aufgewachsen, besuchte die Fredersdorfer Polytechnische Oberschule, legte in Belzig das Abitur ab und studierte anschließend in Berlin Lehramt Geschichte und Polytechnik. Während des Studiums erklärte er sich dazu bereit, Material zur Ortsgeschichte des Heimatdorfes zu sichten und durch eingehendes Studium in Archiven zu ergänzen. Inzwischen wenden sich auch andere Orte der Region an ihn, um ihn zu Details der Regionalgeschichte zu befragen. Er veröffentlichte in den letzten Jahren Artikel zur Geschichte des Kreises Potsdam-Mittelmark, die wichtige Erkenntnisse aus der Auswertung der Archivalien enthielten. Zum Kapitel "Deutscher Ritterorden in Dahnsdorf" leistete er eine wichtige Zuarbeit mit der Auflistung der Regesten.
Inzwischen hat er das Lehrerstudium beendet und beschäftigt sich auch weiterhin mit der Geschichte des Fredersdorfer Herrenhauses, das zur Zeit gründlich saniert wird, und mit der Regionalgeschichte.

Inhalt

1. Die ältesten Nachrichten über das Geschlecht von Oppen
2. Ritterschaft und Lehnswesen
3. Oppensche Besitzungen im späten Mittelalter
4. Die Entstehung des Rittergutes Fredersdorf um 1470
5. Gutsbesitz in brandenburgisch-sächsischem Grenzland
6. Patrimonialgerichtsbarkeit und Kirchenpatronat
7. Die Oppensche Gerichtsordnung von 1543
8. Die Zeit des Dreißigjährigen Krieges
Anhang
Anmerkungen
Verzeichnis der Rittergutsbesitzer auf Fredersdorf bis 1648
Historische Maße und Münzen
Quellen- und Literaturverzeichnis
Stichwortregister

Aus dem ersten Kapitel

1. Die ältesten Nachrichten über das Geschlecht von Oppen
Man schrieb das Jahr 1313. Es war nun schon über einhundertfünfzig Jahre her, dass Kolonisten aus Gebieten westlich der Elbe in das neu in Besitz genommene Land der Heveller und anderer slavischer Stämme gekommen waren und begonnen hatten, dieses neu zu besiedeln. Unter den Orten, die von den Kolonisten neu angelegt wurden, befand sich auch ein Dorf, welches vermutlich nach seinem Gründer oder Lokator den Namen "Friedrichsdorf" erhielt. Dieser Ort am Rande des Flämings war Gegenstand von Verhandlungen, welche am 9. Dezember 1313 auf der Belziger Burg zwischen den sächsischen Herzögen und dem Brandenburger Domkapitel geführt wurden. Das angestrebte Geschäft kam zustande und die Verhandlungspartner ließen über den abgeschlossenen Kaufkontrakt eine Urkunde folgenden Inhalts ausstellen: Die sächsischen Herzöge Rudolph, Albert und Wenzel verkaufen das Dorf "Vrederikestorp" mit allen Gerechtigkeiten für 260 Mark Stendalischer Münze an den Propst und das Domkapitel zu Brandenburg (Eilers, S. 261-265; Riedel, A Bd. 8, S. 210).
Die Urkunde, gegeben "im Jahre des Herrn 1313, am Sonntag, da man anstimmt: Das Volk Zion", stellt die älteste schriftlich überlieferte Erwähnung Fredersdorfs dar. Wie im Mittelalter üblich, wurde die Urkunde von verschiedenen glaubwürdigen Persönlichkeiten bezeugt. Unter den Zeugen findet sich im Urkundentext der latinisierte Name "Tylo de Noppin", der hier vor allem von Interesse ist. Wer war dieser Mann? Trotz der Namensform Noppin kann man ihn unzweifelhaft als Thiele, einen Angehörigen des Adelsgeschlechts von Oppen identifizieren, welches mit Konrad (dem Vater oder Großvater von Thiele) aus dem Dunkel der Geschichte tritt.
Die von Oppen gehörten zu den ältesten Geschlechtern, die bis ins 20. Jahrhundert im Belziger Umland ansässig waren, wenn es sich bei ihnen nicht sogar um das älteste handelt (Berghaus, S. 606). Ursprünglich waren sie Dienstleute oder Ministerialen der Grafen von Belzig. Als das Belziger Grafengeschlecht, seit ca. 1200 unter Lehnshoheit der sächsischen Askanier, um 1250 ausstarb, fiel die Grafschaft an die Herzöge von Sachsen (Partenheimer, S. 79). Auf der Belziger Burg wurde ein herzoglich-sächsischer Burggraf eingesetzt. Oben genannter Konrad von Oppen fungierte als ein solcher Burggraf (castellanus) zu Belzig. Sein Name taucht urkundlich 1271, 1272 und 1277 im Zusammenhang mit der Deutschritterordens-Kommende in Dahnsdorf auf (Mülverstedt, Bd. 1, S. 3 ff.).
Es stellt sich natürlich die Frage nach der Urheimat der von Oppen. Eine mögliche Lösung hierfür geht auf den bekannten Archivar George Adalbert von Mülverstedt zurück. Mülverstedt hat sich Ende des letzten Jahrhunderts in einem umfangreichen, vierbändigen Werk mit der Oppenschen Geschichte befasst (s. Quellen- u. Literaturverzeichnis). Er sah in den von Oppen ein autochthones, ehemals slavisches Edlengeschlecht, welches schon vor der deutschen Kolonisation in der Belziger Region ansässig war (Bd. 4, S. 10, 56). Er folgerte dies aus der Tatsache, dass im Belziger Gebiet der Name von Oppen zum erstenmal überhaupt auftaucht. Es gibt aber auch Anhaltspunkte, die für eine Einwanderung der von Oppen aus holländisch-flämischen Landen sprechen. Zum einen kann hierfür der Familienname ins Feld geführt werden. Der Name "van Oppen" ist in den südlichen Niederlanden sehr verbreitet (Lebensskizzen, S. 22). Weiterhin ist das alte Oppensche Wappen zu beachten. Es zeigt in blau ein mit einer roten Rose belegtes silbernes Andreaskreuz. In der niederländischen Heraldik sind Andreaskreuze (Schrägkreuze) besonders beliebt. Sie werden als Symbole der Gerechtigkeit betrachtet (Buben, S. 133). Das wichtigste Indiz für eine holländisch-flämische Herkunft verbindet sich jedoch mit der nahe der Belziger Burg gelegenen St. Bricciuskapelle. Im Jahre 1361 stifteten die von Oppen in dieser Kapelle einen Altar (Mülverstedt, Bd. 1, S. 15). St. Briccius war nun aber ein Heiliger, den die flämischen Zusiedler aus ihrer Heimat in die Belziger Region mitbrachten (Herrmann, S. 61; Lebensskizzen, S. 22). Die von Oppen besaßen schon um 1361 mehrere Lehngüter in verschiedenen Dörfern, doch sie stifteten den Altar nicht einer Kirche in diesen Dörfern, sondern der St. Bricciuskapelle. Wodurch sollten sich die Herren von Oppen nun mit dem heiligen St. Briccius so stark verbunden gefühlt haben, wenn nicht durch ihre eigene Herkunft?
Über Verwandte bzw. unmittelbare Nachfahren Konrads und Thieles von Oppen gibt es verschiedene historische Nachrichten. Ein Hermann von Oppen1 war 1330 Komtur des Deutschritterordens in Schönesee in Preußen, während ein Kuno von Oppen auf der Festung Rabenstein sein Domizil hatte. Kuno war Vater von zwei Söhnen, welche 1361 den oben angesprochenen Altar in der St. Bricciuskapelle gestiftet haben. Sie statteten den Altar mit Einkünften aus den Dörfern Lüttgen Lühnsdorf, Gödensdorf (1361 schon wüst), Berge (1361 schon wüst), Pols, Preußnitz, Lütte, Krahnepuhl, Ragösen und Linthe aus (Mülverstedt, Bd. 1, S. 15 f.). Vor diesem Altar wurden seit dem 14. Jahrhundert mehrere Angehörige der Familie von Oppen begraben. Leider entging der Altar nicht der Vernichtung, als die Schweden im Jahre 1636 Belzig verwüsteten (vgl. Quade, S. 34 ff.).